die Tage auf See

Dienstag, 10. Oktober

Draussen ist’s bedeckt, kühl und windig.

Das Morgenessen nehmen wir in der Selbstbedienung ein. Da herrscht ein lebhafter Betrieb, obwohl heute kein Landgang angesagt ist. Wir spazieren durch die kleine Shoppingmeile.

Unsere Glieder wirken noch immer wie etwas rostbefallen, Spuren des langen Fluges. Mag sein. Auch müssen wir uns noch etwas an den ganz leicht schwankenden Untergrund gewöhnen.

Die bequemen Sessel auf Deck 4 laden zum Verweilen ein.

Um 5 findet eine Information der Reiseleitung statt. Viel zu erfahren und viel Wissenswertes über die nächsten Reiseetappen.

Heute ist Abendessen im sog. «elegant»-Modus. Was wohl damit gemeint ist, erfährt man immer erst anhand der Outfits der Gäste beim Eintreffen im Esssaal. Diesmal erscheint die Mehrheit «casual». Das Essen ist gut und versöhnt uns mit dem Betrieb von gestern.


Samstag 13. Oktober

Der Himmel ist bedeckt, die Temperatur angenehm südlich.

Das Aussendeck wird geschlossen, ein Sturm wird erwartet. Dieser trifft jedoch nicht ein. Da hat wohl niemand etwas dagegen.

Beim Nachtessen werden wir neben ein Ehepaar aus Kanada komplimentiert. Der Herr ist erleichtert, endlich sei jemand da, mit dem sich auch seine Frau, die nur französisch spreche, unterhalten könne. Und das tun wir jetzt auch lebhaft und humorvoll.


Sonntag, 14. Oktober

Die Uhr haben wir wieder um eine Stunde zurückgestellt. Um sieben wird bereits an den Vorhängen geruckelt. Die Begründung: schliesslich hätten wir gestern schon um 10 auf Nachtruhe geschaltet gehabt. Draussen bedeckter Himmel, aber harmlos. Die Wolken werden sich sicher bald wieder auflösen.

Vom Cappuccino, den wir gestern im Café auf Deck 5 serviert bekamen, sind wir fasziniert. Da wollen wir wieder hin, statt oben im Gedränge frühstücken. Hier –  so hoffen wir – lässt sich in einer angenehmen Atmosphäre der Kaffee und das Cookie geniessen. Das klappt denn auch bestens, denn am Fenster sind zwei der begehrten Ohrensessel, weil bequem, frei.

Wir essen noch eine Ration Früchte und dann geht es via Kabine  zur Buchlektüre auf Deck 4. Es ist recht warm, sogar die Brillengläser beschlagen für einen kurzen Moment.


Dienstag, 16. Oktober

Der Tag auf See ist willkommen. Allerdings etwas regnerisch. Man muss wissen, es ist die Jahreszeit mit den häufigsten Regenfällen.

Wir sind auf der Suche nach einem warmen, ruhigen Ecklein, wo wir uns zur Lektüre niederlassen können. Die besten Plätze sind stets besetzt, weil niemand an Deck gehen will bei diesem trüben Wetter.

Natalia, die Platzzuteilerin für das Abendessen meint, heute sei es extrem kalt im Schiff. Sie trägt eine Bluse, darüber einen Pullover und die Uniformjacke. Tatsächlich, die Klimatisierung lässt auch uns erschauern. Diese ganze Klimatisierung ist amerikanisch masslos übertrieben.

Am Abend erleben wir ein Tropengewitter mit Blitz. Auf Deck 4 sind alle Polster nass. Auf Deck 10 watet man durch Wasser und vermeidet tunlichst, sich auf die Polster zu setzen, die sind nämlich auch klitschnass. Sehen tut man’s nicht, spüren aber sofort!


Donnerstag, 18. Oktober

Heute wollen wir die verschiedenen Decks erkunden. Wir starten auf dem Vorschiff auf Deck 12. und wandern dann über die vielen Stufen, vorbei an den Pools, den diversen eindrucksvollen Aufbauten für die Schiffsnavigation und den sonnenhungrigen Gästen in ihren Badeanzügen über Deck 10 bis zum Ende des Schiffes. Da lassen wir uns nieder und genehmigen den «wohlverdienten» Cocktail namens Mama mia, ein Wassermelonensaft mit allerlei wohlschmeckenden Geheimnissen drin.

Am Abend sind wir von unserem Reiseveranstalter zu einem opulenten Nachtessen im Restaurant Tuscan eingladen. Das Filet Mignon ist traumhaft zart und perfekt gebraten. Die Pasta, naja, italienisch ist etwas anders.

Nach dem Essen, auf dem Weg zur Kabine, hören wir laute Musik aus dem Konzertsaal. Neugierig schauen wir hinein und bleiben dann hängen. Alan, ein Schotte, wie er uns verrät, schmeisst ein Konzert. Er spielt Gitarre, Klarinette, Saxofon und singt und erzählt viele wahre Geschichten. Rockmusik, perfekt intoniert mit der Bordband. Alan ist ein wirklich guter Unterhalter. Der Applaus ist verdient.


Montag 22. Oktober

Heute werden wir von einem blauen Himmel überrascht. Dazu weht eine recht steife Brise. Das Schiff läuft auf top speed.

Erst sitzen wir gut geschützt im Bug auf Deck 11. Das höchstgelegene und dasjenige, das den schönsten Rundblick bietet. Weit und breit kein Schiff. Wie kann das auf dieser Touristenroute bloss sein? Draussen an der Bar geniessen wir ein Glas kühlen Chardonnay, genau das Richtige bei diesen tropischen Temperaturen. Das ist Bordleben von Feinsten! Echte heisse Karibiksonne ist das, was da auf uns herabsengt.

Wir spazieren etwas auf Deck, essen eine Kleinigkeit zu Mittag und lassen uns später zur Lektüre in einem der zahlreichen bequemen Sessel nieder.

Später dann das Abendessen. Die Kellner rennen, der Sommelier ist nicht zu sehen. Kurz, es herrscht eine unerklärliche Aufregung. Unser Kellner Tanto findet kaum Zeit, uns in seiner gewohnten Ausführlichkeit alle Menu Optionen zu erläutern. Trotzdem gibt er sich wie immer viel Mühe, uns auch wirklich zufrieden zu stellen. Unter seiner Obhut fühlen wir uns stets wie VIP-Gäste. Irgendwie fast ein wenig peinlich.

Auf dem Weg zur Kabine treffen wir Esther, ein Zimmermädchen. Sie berichtet, dass sie von Nicaragua sei und einen 11 jährigen Sohn habe. Er werde von der Grossmutter aufgezogen. Aber mit 13 sei es dann wohl Schluss mit ihrer Autorität, da müsse sie selbst das Heft in die Hand nehmen.

Andrii hat auf unserem Bett ein kunstvolles Gebilde mit Frottiertüchern, zwei Schwäne darstellend, aufgebaut.


Dienstag 23. Oktober (Karibik)

Das Wetter wie gestern, nur ohne die steife Brise. Sehr angenehm. Die Sonne strahlt mit einer ungeheuren Kraft.

Um 9:45 Uhr erfahren wir von den Terminen, Orten und den Empfehlungen zum Ausschiffen. Auch vom Programm für den nächsten Tag. In Miami Beach hätten wir Zeit zur individuellen Verfügung.

Jetzt gleich sind wir eingeladen, die Brücke zu besichtigen. Die haben’s aber schön hier oben! Ruhig, geräumig und mit einem herrlichen Blick auf das ganze Schiff, besonders auf die Flanken, die beim Anlanden wichtig sind.

Ein junger Offizier (Syrer) erklärt uns am Schaltpult die diversen Schalter, Hebel, Anzeigen und den Joystick für die Steuerung des Schiffes. Z.B. befänden sich die zwei Motoren und der Antrieb im Vorschiff, das Schiff werde also gezogen und nicht wie üblich gestossen. Der Propellerdurchmesser betrage drei Meter, der Motor leiste einige tausend PS. In der Minute verbrennten die Maschinen 100 kg Brennstoff. Vor dem Hafen würde jeweils auf Gasbetrieb umgeschaltet. Auf dem einen Tableau sieht man die Fahrtdaten, auf dem andern die Seekarte. Das Radar zeigt alle Schiffe im nähen Umkreis mit Name, Grösse, Kurs etc. an. Das Logbuch werde von Hand geschrieben. Alle 4 h Wetter, Kurs, das Übliche. Das Schiff habe auch eine Blackbox, wie die Flugzeuge.

Die undefinierbare gelbe Substanz, die man in den letzten Stunden habe auf dem Wasser treiben sehen, seien Algen, die von der Saragossa See her kämen. Bedeutungslos. Es handelt sich also nicht um eine primäre Verschmutzung durch den Menschen, z.B. mit dem oft aus Tankern abgelassenem Bodensatz.

Nach dem Abendessen treffen wir am Ausgang wie immer Natalia auf ihrem Posten. Sie wird noch ca. 7 Monate auf dem Schiff sein. Ihre nächste Tour führt nach Key West und durch die Karibik. Später, im April, dann durchs Mittelmeer. Sie hat einen kleinen Sohn und unterstützt, wie Esther, ihre Familie zu Hause. Wir sollen doch auf eine kleine Mittelmeerfahrt kommen. Es würde sie freuen.