Samstag, 20. Oktober
Um zehn vor acht starten wir zum Ausflug ins Dorf der Indigenen. Ovideo (gesprochen: o und video wie Video), unser lokaler Begleiter, begrüsst uns in einem lustigen, grammatikalisch überraschungsreichen Deutsch. Er hat Deutsch in der Schule gelernt, zwei Jahre lang, wöchentlich zwei Stunden, abends oder samstags.
Im Bus durchqueren wir die Stadt Colon. Was da an Häserruinen und sonstigen abgewirtschafteten Häusern zu sehen ist, schlägt alles bisher Bekannte. Unbeschreiblich. Colon sei die grösste Zollfreizone Zentralamerikas. Aus der ganzen Welt kämen Händler hierher, um Waren günstig einzukaufen. Das sei auch die wichtigste Einnahmequelle des Landes nebst den Einnahmen vom Kanal.
Schon befinden wir uns auf der Autobahn und fahren westwärts in die grünen Hügel. Dann kreuzen wir die Wasserscheide Pazifik/Karibik. Nach ca. einer halben Stunde hält der Bus an einem Fluss, wo wir einen grösseren Einbaum mit Aussenborder besteigen. Langsam geht es durch den Tropenwald, der nach kurzer Zeit durch lockeres Gebüsch und kleineren Bananenplantagen abgelöst wird. Nach einer scharfen Abbiegung nach rechts gelangen wir durch Seegras in einen grösseren See, an dessen Ende das Dorf der Embera Indianer liegt. Von einer Eskorte Frauen, die zur Musik der Männer klatschen, werden willkommen heissen. Die Volkloreveranstaltung beginnt.
Wir folgen der Prinzessin, der Tochter des Häuptlings, ausgestattet mit einem kronenähnlichen Kopfschmuck, die uns unter einem mit Palmwedeln bedeckten, offenen runden Unterstand vom Wesen dieser Siedlung berichtet. Man ist sich letztlich nicht sicher, ob da wirklich ein echtes Dorfleben gelebt oder alles nur für die Touristen so aufgebaut und vorgespielt wird. Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte. Der Häuptling – oberste Instanz für alle wichtigen Entscheidungen – schaut kurz zur Begrüssung vorbei, wendet sich dann aber rasch wieder seinen Geschäften zu. Es ist sehr heiss geworden. Selbst der Ovideo bleibt nicht verschont, sein T-Shirt ist völlig durchnässt.
Später taucht der Medizinmann, nur mit Lendenschurz bekleidet, auf. Er nimmt uns mit auf einen Rundgang. Es geht um die panamaische Naturheillehre anhand verschiedenster Pflanzen. Wir lernen von Baum zu Baum und Staude zu Staude mehr über deren heilende Wirkung für die unterschiedlichsten Krankheiten. Von Diabetes über Schlangenbisse bis zum Hirntumor kennt er sichere Heilmethoden mittels Blättern, Wurzeln und Säften. Er muss eine echte Kapazität auf diesem Fachgebiet sein, denn er hat kürzlich einen Naturheilerkongress in Bergamo, Italien, besucht. Wir sind beeindruckt, aber nicht nur deswegen.
Nach einer kurzen Besichtigung der Souvenirstände (ohne Einkauf) bedienen wir uns am Mittagsbuffet mit einer Tüte, gefüllt mit Kochbanen und Fisch (im See mit Harpune erlegt) sowie einer herrlich süssen Scheibe Ananas. Fleissige Frauen haben das Essen auf Töpfen auf offenem Feuer zubereitet. Nebenan kann man einer Frau zusehen, wie sie Fische schlachtet.
Jetzt spielt der Schamane mit weitern Musikanten noch zu einem traditionellen (es tanzen junge Frauen im Kreis) und später zu einem von ihnen so genannten Unterhaltungstanz (Paare tanzen) auf.
Die Zeit ist um, wir fahren im Boot in zügigem Tempo zurück zum Bus. Da steht noch ein Besuch der neuen, seit 2016 freigegebenen Kanalschleuse an. Ein leerer Tanker wird von zwei Schleppern fachgerecht in die erste Schleusenstufe eingeparkt.
Kaum im Bus und einige 100 m gefahren, fragt Ovideo, ob wir Brüllaffen sehen möchten. Hoch im Baum turnen sie herum, eine ganze Familie von ca. sieben Äffchen, denn so gross sind sie und nicht, wie man sie sich vorstellt, wenn man ihr Brüllen hört.
Um vier sind wir auf dem Schiff und stellen fest, wie hartnäckig sich die rote Färbung durch den Laterit Boden an Schuhen und Kleidern hält.
Wir geniessen den sonnigen Abend mit Buch und Drink.