Mittwoch, 17. Oktober
8:45 Uhr ist Besammlung beim Checkpoint Claudia. Wir können gleich losziehen. Auf dem Pier herrscht grosse Aufregung bei den wartenden Bussen. Wir marschieren bis zum Hafenterminal und dann noch ein Stückchen weiter zum kleinen Bus, wo José auf uns wartet. Wir wollen den Parque Nacional Palo Verde besuchen, 1 1/2 h Fahrzeit. Der Himmel ist bedeckt, klar, es herrscht Regenzeit. Es ist angenehm warm, allerdings spürt man auch gleich die hohe Luftfeuchtigkeit.
Die Ausfallstrasse wird eben für einen neuen Belag vorbereitet. Der Chauffeur muss für ein kurzes Stück die Hauptstrasse verlassen. Da, ein Pfiff, wie wenn Luft aus einem Pneu entweicht. Ja, ist so, der Reifen ist hin. An einer Tankstelle wird er ausgetauscht. Der Chauffeur kommt mächtig ins Schwitzen. Irgendwie beruhigend zu sehen, wir, die bereits ohne Anstrengungen ins schwitzen kommen.
Es geht jetzt flott weiter auf der Panamericana nach Nordwest. Erst Busch- und Regenwald, später Ananasplantagen und weiter endlose Weiden mit Höckerkühen. Solche, wie man sie aus Afrika kennt (von dort sind sie denn auch importiert worden und werden später in den USA zu Hamburger verarbeitet). Eine Baustelle verschafft uns eine kurze Rast da draussen im Baum- und Buschgewirr. Es geht um die Verbreiterung der Strasse.
Und schon fahren wir weiter. Vorbei an Restaurants auf offener Strecke, Garagen und vereinzelt, wie auch in grösseren Häuseransammlungen, stets hermetisch vergitterten Cabinas aller Grössen, Bauweisen und Farben. Oft zeigt sich ein deprimierendes Bild von den allgemein verbreiteten, sehr bescheiden Lebensbedingungen der einfachen Bevölkerung.
An den Bushaltestationen warten stets kleinere Grüppchen auf den nächsten Kurs.
Jetzt geraten wir auf offenes Gelände, das mit Zuckerrohr bepflanzt ist. Der Chauffeur gibt Stoff, als müsste er die 20 min. für den Pneuwechsel wieder aufholen. Gut, fokussiert meine Kamera schnell und zuverlässig, sodass doch noch einige scharfgestelle Fotos zustandekommen.
José informiert ausführlich über die Lebensumstände der Costa Ricaner und stellt überaus kompetent und anschaulich Vergleiche mit Europa und der Schweiz im speziellen, die er kürzlich bereist hat, auf verständliche Weise an.
Die ersten Siedler hätten erst herausfinden müssen, welche Pflanzen sich hier kommerziell am besten anbauen liessen. Erfahrungen in der Landwirtschaft, so wie wir sie in Europa schon längst gehabt hätten, fehlten damals noch. So entstanden dann allmählich im try-and-error-Verfahren die Bananen- und Ananasplantagen. Deren Erzeugnisse werden heute in vorzugsweise die USA und Europa exportiert. Reis habe an Bedeutung verloren und werde nur noch für den Eigenbedarf produziert. Costa Rica könne sich heute zu 100% selbst versorgen und verfüge über das weltweit vielfältigste Angebot an Lebensmitteln. Auch die Tierwelt bilde dank der zentralen Lage des Landes und dem Klima eine Schlüsselstelle zwischen Norden und Süden. Das Land sei auch für die Vogelzüge eine wichtige und bevorzugte Zwischenstation.
Mit dem Schwenker in eine schmale Quartierstrasse wird klar: unser Ziel, der Landungssteg vom Boot für die Flussfahrt, ist erreicht. Uns erwarten im grossen, überdachten «outdoor» Restaurant feine, gekühlte Ananas- und Wassermelonenschnitze zum Naschen. Herrlich, der Saft und das Aroma.
Wir besteigen jetzt das geräumige Boot und suchen uns den geeignetsten Platz für das Fotografieren aus. Der Bootsmann fährt langsam. Er hält immer wieder an und wartet bis wir endlich auch den kleinen grünen, gelben oder braunen Baumleguan sehen, auf den er jeweils zeigt. Schon bald haben wir das eigene Auge geschult und entdecken selbstständig die Tiere in den Ästen. Ein kleines Krokodil, das sehen wir erst, als er mit dem Boot nahe heranfährt. Die Vögel, kanadische Reiher, weisse Reiher und einen Fischadler beobachten uns. Ein besonders schön rot und schwarz gefiederter Vogel, der in der Nähe des Flusses sein Revier hat, sitzt auf einem Pfahl. Krokodile gibt es leider nicht zu sehen, da der Pegelstand des Flusses eine bedrohliche Höhe erreicht hat und die Sandbänke, die sie lieben, bedeckt. Jetzt liegen sie irgendwo im Gestrüpp.
Zwischendurch ereilt uns ein kleiner Tropenregen.
Gut, haben wir die Regenjacken dabei. Zwei Brüllaffen, deren markdurchdringenden Schreie wir bereits gehört haben, erkennen wir in den Ästen als kleine schwarze Schatten.
Zurück geht’s mit Vollgas. Ein einfaches, lokales Essen erwartet uns: Bohnen, Reis, etwas Salat, Kartoffelwürfelchen und Fisch oder Chicken. Dazu stark gesüsster Eistee.
Wir nehmen die gleiche Route für die Rückfahrt. In der Ferne sehen wir die hohen vulkanischen Erhebungen, sogar die Spitze des Arenals ragt aus den Regennebeln. Es beginnt zu regnen. Ob der Nässe scheinen sich die kleinen Cabinas im Schatten der grossen Bäume noch mehr zusammenzukauern.
Punkt fünf sind wir zurück. Der uns von unserem Ex-Austausschüler Adrian angegebene Treffpunkt Restaurant Rio de Janeiro, hat José für uns dank google map ausfindig gemacht. Doch da taucht der Gesuchte auch schon auf, er hat uns bereits gesichtet. Grosses freudiges Wiedersehen! Ana, die Mutter sitzt mit ihrer nicaraguanischen Maria (Hausangestellte) erwartungsvoll an einem der vielen freien Tische. Bei einer Pinacolada unterhalten wir uns über dies und das. Der kleine Hund ist auch da und bellt dann und wann energisch die Passanten an. Alle lachen. Auf die Frage nach möglichem Nachwuchs bei Maureen mault Ana (erstaunlich, wie sie dem Gespräch auf Schriftdeutsch folgen kann! Eine schlaue Person): statt ein Kind halten sie sich lieber einen Hund!
Um halb sieben verabschieden wir uns. Adrian begleitet uns zum Pier. Es regnet heftig, bis wir das Schiff erreichen, sind wir trotz Schirm fast vollständig durchnässt.
Mit frischen Kleidern am Abendessentisch sitzend, kehren die guten Geister zurück und das komfortable Schiffsleben hat uns wieder.